PORTRÄT
                                                              JEAN-PIERRE  KRÄHENBÜHL

 

Artikel erschienen im Gossauer Info / Juni 2009
Text, Barbara Graf



Herausforderungen beflügeln ihn

Er ist immer perfekt gekleidet und achtet fast pedantisch genau auf den passenden Mustermix seiner   Kleidung. Er liebt seine Tochter Clémence, ist stolzer Grandpapa des 9 Monate alten Vincent, mag den   spassigen Film "Crocodile Dundee" und trägt gerne dieses Outfit, hat auch etliche Paare wunderschöner   Stiefel, ist passionierter Bergsteiger, Jäger und Golfspieler, Manager und Kunstliebhaber.

Der mit verschiedenen farbigen "Bsetzisteinen" bogenförmig ausgelegte Vorplatz des Hauses, die Poolanlage mit Tisch und perfekt restaurierten Bänken aus einem alten Basler Tram, die spezielle Feuerstelle und die schwarzen Krähen, die spitzbübisch vom Baum gucken, machenklar, Jean-Pierre

Krähenbühl, genannt JPK, hat einen ausgeprägten Sinn für Schönes, Ausgefallenes, aber Zweckmässiges. Schon will man den Willkommensgruss des auf dem Balkon stehenden rotlivierten Dieners erwidern, beim zweiten Hinsehen merkt man aber, dass es sich um eine Pappmaché-Figur der sogenannten "Familie" handelt, die das ganze Haus bevölkern. Sie staunen mit einem zusammen die verschiedensten Kunstwerke an, die sich wie selbstverständlich zusammen-fügen. JPK hat bereits in jungen Jahren Kunstwerke, nicht wegen des Wertes, sondern weil sie ihm gefallen haben, gekauft. Jedes Zimmer hat eine spezielle Note, er liebt es, schöne Dinge um sich zu haben.

In seinem Schlafzimmer liegt auf einem Spezialständer ein 30kg schweres, überdimensionales Buch von Starfotograf David Hamilton mit wunderschön, perfekt gestylten Fotos. Ein Bijou ist die neu konzipierte Küche, die nicht nur modern und schön präsentiert, sondern auch funktionell und vom leidenschaftlich gern kochenden Hausherrn entsprechend genutzt wird. Er schwärmt von seinen Profi-Geräten, dem Druck-Steamer mit Wasseranschluss und dem Teppan Yaki und weiss genau, wovon er spricht.

Im Esszimmer stehen schwarze voluminöse Lederstühle mit Holzbeinen auf Rädern und Nackenrollen, wie früher die Barbierstühle. Dazu ein Holz-Glas-Tisch mit verschiedenfarbigem Licht in der Glasplatte und darüber eine ausgeflippte Lampe aus Champagnergläsern, Löffel und "Ketteli" aus dem Badezimmerbereich. Originell, ausgefallen und gut zu gebrauchen. Es sind Designerstücke, entworfen vom Künstler Heinz Julen. Ihn hat JPK in Zermatt kennen gelernt. Dort ist er schon seit 47 Jahren Gast und hat schon zweimal das Matterhorn bestiegen und mindestens die Hälfte aller 38 Viertausender rund um Zermatt.

Der Naturbursche
Bereits zweimal ist JPK auf dem höchsten Berg Afrikas, dem Kilimandscharo gestanden, weil ihn die Landschaft, ausgezeichnet als UNESCO-Kulturerbe, fasziniert. Bezwungen hat er auch den höchsten Berg Südamerikas, den fast 7000m hohen Aconcagua in Argentinien. Seine Pläne sind im nächsten Jahr in Tibet den 8027m hohen Shisha Pangma, den vierzehnthöchsten Berg der Welt, zu erklimmen. In Marokko hat er zur Abwechslung den Atlas per Mountain Bike zusammen mit Führer überquert. JPK hat so viele Ideen, dass man gar nicht überrascht ist von seinen neuen Plänen. Das nächste Unterfangen liegt schon fein säuberlich bereit, ein langer Wanderstock, gutes Schuhwerk, Rucksack, witterungsfeste Kleidung und eine Beschreibung des Jakobsweges durch Frankreich und Spanien.

Zurück in seinem Haus, zeugt eine prächtige Fuchsfelldecke auf einer Liege, dass die Jagd immer noch zu seinen Hobbys zählt. Und in der Garage stehen zwei auf Hochglanz polierte BMW-Maschinen, die er ab und zu ausfährt. Er hat auch den TCB, Töff Club Bertschikon, gegründet und präsidiert ihn auch.
 

Afrika
In einer Vitrine liegen afrikanische Erinnerungs- stücke. Denn JPK hat fünf Jahre in Westafrika gearbeitet. Doch zuerst den Weg bis es dazu kam:
Nachdem er sich als Junge vorwiegend für Musik, Gitarren und die Auftritte mit seiner Band "The Greenhorns" interessiert hat, absolvierte er eine Ausbildung im Detailhandel, was naheliegend war, weil seine Eltern ein Comestibles-Geschäft führt-ten. Nach der RS entschied sich JPK nicht für die Musik, sondern für berufliche Weiterbildung. Dank seines Arbeitgebers Coop Basel konnte er nach der Handelsschule das erst in Deutschland existierende Institut für Selbstbedienung

besuchen und bereits mit 21 Jahren den ersten Supermarkt von Coop eröffnen. Mit den Ausbildungen eidg. dipl. Verkaufsleiter, eidg. dipl. Marketingleiter und drei Semestern Studium der Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen hatte er den notwendigen Rucksack, um die Anfrage vom Amt für technische Zusammenarbeit (heute Entwicklungshilfe Schweiz) für den Aufbau einer Warenverteilerorganisation in Benin, Westafrika, mit Tatendrang aufzunehmen. Er reiste, frisch verheiratet mit seiner langjährigen Freundin, einer Balletteuse vom Corp de Balet vom Stadttheater Basel, mit einem Sonderpass und Privilegien wie Diplomaten, nach Afrika, mit dem Ziel, eine Preisstabilität der Grundnahrungsmittel im Land zu gewährleisten.

Dazu errichtete er 22 Verkaufsstellen in der Grössenordung wie der Denner in Gossau, rekrutierte Personal, handelte Abnahmegarantien für Produzenten aus, erfüllte seinen Job in jungen Jahren so perfekt, dass er die Verkaufsorganisation bereits mit 27 Jahren in einheimische Leitung übergeben konnte.

Zurück in der Schweiz, kam Tochter Clémence zur Welt und kurz darauf die zweite Anfrage für einen Job in Afrika von der UNO für eine Studie, ob eine ebensolche Verkaufsorganisation im heutigen Burkina Faso möglich wäre. Die junge Familie lebte in Ouagadougou, doch obwohl die Studie positiv ausfiel, wurde das Projekt wegen politischen Missständen nie realisiert. Zurück in Basel, wurde JPK Projektleiter der neuen Betriebszentrale, was eine hohe logistische Herausforderung war. In dieser Zeit musste er auch den Schicksalsschlag, den Tod seiner Frau, verkraften. Mit Hilfe von Tagesmüttern und Haushalthilfen meisterte er auch die Rolle als alleinerziehender Vater.

Sanierungsaufgabe
1984 folgte er der Anfrage eines Head Hunters als CEO zu Musik Hug, dem grössten Musikinstumentenhandels- und Dienstleistungs- unternehmen von Europa. Das völlig verstaubte Unternehmen zwang ihn zu ausserordentlichen Aktionen. Um das immense Lager

zu bereinigen, organisierte er zwei Verkäufe von allen älteren Instrumenten und verkaufte Musikalien und Langspielplatten kiloweise. Er sanierte das komplizierte Gebilde zu einem florierenden Unternehmen und konnte es bereinigt und ohne Fluktuationen von Mitarbeitern wieder in die Hände der Familie Hug übergeben.

Reif für Neues
Die Anfrage, den Posten als Generaldirektor der Firma Denner zu übernehmen, kam wie gewünscht. Er arbeitete zusammen mit Karl Schweri, der ihn sehr beeindruckte und focht, zusammen mit ihm die zwei wichtigen Prozesse gegen das Bier- und das Zigaretten-Kartell, die sie beide gewonnen haben. Den Strategiewechsel von Schweri, nur noch 1000-1500 Artikel im Sortiment zu führen, konnte und wollte er nicht mittragen, obwohl er mit fünf Jahren am längsten Generaldirektor von Denner war, so dass er den Job wechselte und bei der Firma Kambly einen weiteren Sanierungsfall übernahm. Er modernisierte die veralteten Verkaufsstrukturen, zentralisierte die Betreuung der Schlüsselkunden, stieg aus dem Asien- und USA-Geschäft aus und baute mit Erfolg den Verkauf in Deutschland auf.30 bis 40% des Umsatzes werden heute noch in Deutschland generiert. Nach vollendeter, gelungener Bereinigung übergab er die Firma den Inhabern.


Neuland
Eine ganz neue Herausforderung war die Gründung und überhaupt die Ermöglichung eines Medikamentenversandes, den es in der Schweiz noch nicht gab. JPK fand das spannend und begann im Verbund mit der Krankenkasse Helsana die Organisation Medi Service AG aufzubauen. Er diskutierte sein Ziel mit den Gesundheitsbehörden und Kantonsapotheken, konnte andere Krankenkassen überzeugen und musste viele Rechtsprozesse durchstehen, denn die Abwehr war gewaltig. Er gewann sie alle und schliesslich auch den Bundesgerichtsentscheid, der wegweisend für das heute nationale Heilmittelgesetz war, indem der Versand von Medikamenten erlaubt ist mit der entsprechenden Qualitätssicherung. Der Aufbau war abgeschlossen, JPK überliess die operative Führung anderen und trat in den Verwaltungsrat über. Die Unternehmung ist erfolgreich und beschäftigt über hundert MitarbeiterInnen wovon ein grosser Teil ApothekerInnen und PharmaassistentInnen sind.


Zeitgleich übernahm er bei der Firma Ulrich Jüstrich AG die Leitung. Er vollzog eine Entflechtung der beiden Tochterunternehmen Just und Nahrin an je einen Familienzweig und fungierte bei Just als CEO. Beim Abschied lobte der Firmeninhaber von Just, JPK habe das hässliche Entlein in einen prächtigen Schwan verwandelt, seine Ziele mit Nachhaltigkeit erricht und ihnen das Fliegen beigebracht. Besser könnte man die Kernkompetenzen von JPK nicht beschreiben. Eine lange Erfolgsgeschichte. Und das Rezept dazu? Er stell immer den Menschen in den Mittelpunkt und nutzt deren spezifische Stärken und Fähigkeiten. Er führt mit klarer Linie, ist Schnelldenker, delegiert, ist risiko- und entschlussfreudig, hat eine ausgeprägte Plausibilitätsbegabung und ein hohes Zahlenverständnis und das Glück, eine eigenständige Persönlichkeit zu sein.
Mit einem Augenzwinkern meint er: "Wer nicht umstritten ist, hat wenig Profil."
Ich wünsche JPK bei all seinen weiteren Unternehmungen Spass und gutes Gelingen.